Fast Food, Snacks und Limonaden
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Salz, Zucker, Fett

Fertiggerichte als stiller Suchtfaktor

Dass Fertiggerichte, süße Limonaden und diverse Snacks aus der Packung nicht unbedingt gesund sind, ist kein Geheimnis: zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Salz. Die Risiken sind bekannt. Eine neue Analyse dreht sich nun aber um die Frage, wie und warum Fertiggerichte konsumiert werden. Der Schluss lautet: Sie haben tatsächlich ein stilles, aber reales Suchtpotenzial.

Eine bzw. einer unter sieben Erwachsenen und eines unter acht Kindern könnte laut der Studie von industriell produzierten Fertiggerichten bzw. hochverarbeiteten Lebensmitteln – englisch: Ultra-processed Food (UPF) faktisch abhängig sein. Experten forderten entsprechende Warnhinweise, berichtete der britische „Guardian“ zuletzt.

Mit dem steigenden Konsum, nicht nur mehr in den westlichen Industrieländern, werden auch gesundheitliche Risiken größer. Als mögliche Langzeitfolgen eines starken Konsums entsprechender Lebensmittel, zu denen in der Studie auch Eis und Softdrinks gezählt werden, gelten Übergewicht, ein erhöhtes Krebsrisiko sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Weltweit zunehmender Trend

Bei der Analyse handelt es sich um eine Metastudie, für die 281 Einzelstudien aus 36 Ländern ausgewertet wurden, veröffentlicht am Montag im renommierten „British Medical Journal“ („BMJ“). Der Fokus liegt auf der Frage nach einer tatsächlichen Sucht nach Fertigprodukten und deren klinischen und sozialen Folgen.

Salat wird zubereitet
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Es muss nicht nur Salat sein – aber viel zu häufig greifen Menschen zu industriell verarbeiteten Lebensmitteln

Laut der Analyse zeigen bis zu 14 Prozent der Erwachsenen und zwölf Prozent der Kinder bei diesen Lebensmitteln tatsächliches Suchtverhalten, ähnlich wie beim Konsum anderer abhängig machender Substanzen. Besonders häufig, mit laut „Guardian“ bereits über 50 Prozent, stehen Fertigprodukte, Limonaden, Eis und Snacks, die der Kategorie „UPF“ entsprechen, in den USA und Großbritannien auf dem „durchschnittlichen“ Speiseplan. Aber auch in anderen Ländern, etwa in Afrika und Asien, werden sie mit steigendem Lebensstandard populärer.

Alle Kriterien erfüllt

Dass viele Menschen häufig zu derartigen Produkten greifen, und wie sie diese konsumieren, entspreche streckenweise den Kriterien für eine Diagnose auf eine Suchterkrankung, heißt es in der Analyse. Diese Kriterien orientieren sich an einem Index der US-Universität Michigan, dem Yale Food Addiction Scale (YFAS), entwickelt laut der Universität zur Einschätzung „suchtähnlichen Essverhaltens“.

Die Symptome äußerten sich nach Ansicht der Studienautorinnen ziemlich ähnlich wie bei anderen Süchten, etwa nach Drogen oder Alkohol: exzessiver Konsum, Kontrollverlust über den Konsum, intensives Verlangen sowie fortlaufender Konsum trotz negativer Konsequenzen, wie es in dem „BMJ“-Artikel heißt.

Süß, salzig, süchtig

Natürlich, heißt es in der Studie allerdings auch, hätten nicht alle Lebensmittel Suchtpotenzial, und einige mehr als andere. Hoch ist dieser laut der Studie besonders bei Lebensmitteln mit einem großen Anteil an raffinierten Kohlenhydraten, allen voran Zucker, zugesetzte Fetten und Salz, also etwa in Süßigkeiten und Knabbereien.

Pommes mit Ketchup
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Zu viel Lust auf Salziges oder Süßes kann laut der Analyse zum ernsten Problem werden

Wenn nun Lebensmittel mit einem entsprechend hohen Gehalt etwa an Zucker oder Fetten als süchtig machend eingestuft würden, könne das einen positiven (präventiven) Effekt auf die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Jedenfalls sei noch mehr Forschung auf dem Gebiet notwendig, so die Studienautorinnen Ashley Gearhardt, Professorin für Psychologie an der Universität Michigan, und Alexandra DiFeliceantonio, Assistenzprofessorin am Fralin Biomedical Research Institute im US-Bundesstaat Virginia. DiFeliceantonio ergänzte: In den USA machten industriell verarbeitete Nahrungsmittel einen Anteil von 58 Prozent am kollektiven Kalorienverbrauch aus.

Einfache Skala

Dabei handelt es sich natürlich nicht nur um Fertigprodukte aus der Dose oder „klassischen“ Verpackung für die Mikrowelle, sondern um alle möglichen Lebensmittel, die – unterschiedlich stark – industriell verarbeitet sind. Die Klassifizierung orientiert sich an einer NOVA genannten, vierstufigen Skala.

Diese beginnt bei unverarbeitetem Obst und Gemüse und reicht von Mehl über Salz, Zucker und Produkten aus natürlichen Lebensmitteln weiter zu verarbeiteten und konservierten Lebensmitteln bis hin zu hoch verarbeiteten Produkten wie Tiefkühlpizza und Packerlsuppe, denen sehr häufig künstliche Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Co. zugesetzt sind. Diese Produkte weisen häufig eine geringe Dichte an Nähr- und Ballaststoffen, dafür aber einen hohen Gehalt an Kalorien, Fett, Salz und Zucker auf.

Geografisch große Unterschiede

Eine andere Metastudie, publiziert im Jahr 2021 in der Fachzeitschrift „Nutrients“ und nachzulesen bei der US-National Library of Medicine (NLM), setzt den Verbrauch industriell veränderter Lebensmittel mit jeweils über 50 Prozent ebenfalls in den USA und Großbritannien am höchsten an. Am niedrigsten ist er laut dieser Auswertung mit etwa zehn Prozent in Italien.